Johanna Griesselich

Die Liebenswürdige

Über Maria Elisabeth Johanna Juliane Griesselich (1812 – 1837) wissen wir nur wenig. Sie heiratete 1834 in Kleve den Garteninspektor Wilhelm Weyhe (1808 – nach 1855), einen Sohn des bedeutenden rheinischen Gartenarchitekten Max Weyhe. Bereits im Alter von 25 Jahren verstarb Johanna. Ihre einzige Tochter Mathilde (1835 – 1933) war damals erst zwei Jahre alt.

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Kleve um 1850

Der Dichter Nikolaus Lenau kannte Johanna Griesselich; er schrieb 1840 in einem Brief an Eduard Duller:

Empfehlen Sie mich schönstens Ihrem von mir hochgeachteten Freunde K. Buchner. Das schreckliche Ende seiner liebenswürdigen Schwägerin wurde mir in Stuttgart erzählt. Hannchen Griesselich war das in meinem Gedichte: „Der Maskenball“ geschilderte Polenmädchen.  Sie erschien mir, unter den Tänzern verschwindend, als die Polonia, wie sie aus dem historischen Weltreigen verschwunden. Nunmehr hat die Unglückliche meine Symbolik auf eine für mich erschütternde Weise vollendet. Polen starb wie sie.

Mehr ist uns über Johanna bisher nicht bekannt.

Lenaus Maskenball, zu dem Hannchen Griesselich den Dichter inspirierte, erschien 1832:

Der Maskenball.

Wirres Durcheinanderwallen
In den lichten Säulenhallen.
Der Trompeten hell Gedröhne,
Und der Geigen tolle Lieder
Stürzen vom Gerüste nieder,
Als ein Wildbach froher Töne;
Von dem Strome leicht bezwungen
Wird der Gäste bunte Menge,
Wird vom seligen Gedränge
Rascher Tänze schnell verschlungen.
Blumen und Orangenbäume
Blühen, duften rings im Saale,
Mahnen, holde Frühlingsträume,
Mich an ferne Blütentale,
Wecken mit dem stillen Gruß
Mir ein banges Hinverlangen,
Hauchen ihren leisen Kuß
Schönen Mädchen an die Wangen;
Doch den Frohen, Ruhelosen,
Weht nicht Sehnsucht in dem Hauche,
Sind ja selber junge Rosen,

Die entflogen ihrem Strauche;
Flatternd in geliebten Tänzen,
Dem Gewinde bald entbunden,
Bald zu anmutvollen Kränzen
Von der Freude frisch gewunden;
Können sinnend nicht verweilen,
Müssen im Vergnügen eilen,
Denn des Welkens Klage naht.
Nie zu sühnender Verrat
An der Blüte Augenblicken
Wäre jede trübe Säumnis.
Seht, da schwebt mit trautem Nicken,
Ein süß neckendes Geheimnis,
Eine holde Maske her.
Ach, wer bist du? sage, wer?
Lind und weich von heller Seide
Ist dein schlanker Leib umfangen,
Und vom amarantnen Kleide
Leicht und luftig überhangen,
Und du strahlst im Glanz des Goldes,
Polenmädchen! wunderholdes!
Schalkhaft kühn dein Käppchen sitzt,
Trotzend auf so schöne Stelle;
Wie der Demantstern dir blitzt

Aus der Nacht der Lockenwelle!
Wie die Perlen dich umschmiegen,
Die dir froh am Halse liegen!
Deine Reize still zu ehren,
Haben sie sich dort vereinet.
Hat ein Gott dir Freudezähren
An den schönen Hals geweint?
Doch Betracht ich dich genauer,
Weiß ich nicht, wie mir geschieht,
Rührst du mir das Herz zur Trauer,
Und die heitere Deutung flieht.
Mädchen, willst du in Symbolen:
Weißem Nacken, Perlenschnüren,
Uns das Trauerlos der Polen
Mahnend vor die Seele führen?
Zeigen uns im schönen Bilde
Tränenvolle Schneegefilde?
Ja, du kamst in dieses Haus,
Leise strafend uns zu tragen
In den schmerzvergessenen Braus
Polens Glück aus alten Tagen,
Daß wir seinen Fall bedenken,
Und in Wehmut uns versenken. —
Abgewendet nun mit Schweigen,
Schwindest du im dichten Reigen,
Wie Polonia’s Herrlichkeit
Schwand im wilden Tanz der Zeit.
Masken kommen, immer neue:
Hier ein Ritter mit der Dame,
Spricht von seinem Liebesgrame,
Und gelobt ihr seine Treue.
Dort im härenen Gewande,
Mit Sandale und Muschelhut,
Wie entrückt in ferne Lande,
Über Berge und Meeresflut
Steht ein Pilger; seine Träume
Säuseln ihm wie Palmenbäume,
Zaubern ihn zum heiligen Grabe,
Seines Glaubens liebster Habe.
Seid willkommen mir, Matrosen!
Nehmt mich auf in eurem Schiffe!
Frisch hinaus ins Meerestosen,
Durch die flutbeschäumten Riffe!
Ha! schon sehe ich Möwen ziehen,
Wetterwolken sehe ich jagen,
Und die Stürme höre ich schlagen.
Süße Heimat, fahre hin!
Nach der Freiheit Paradiesen

Nehmen wir den raschen Zug,
Wo in heiligen Waldverliesen
Kein Tyrann sich Throne schlug.
Weihend mich mit stillem Beten,
Will den Urwald ich betreten,
Wandeln will ich durch die Hallen,
Wo die Schauer Gottes wallen;
Wo in wunderbarer Pracht
Himmelwärts die Bäume dringen,
Brausend um die keusche Nacht
Ihre Riesenarme schlingen.
Wo Leuchtkäfer, Miriade,
Um die Schlingeblumen fliegen,
Die sich an die Bäume schmiegen,
Auf des Blühens dunklen Pfaden
Leuchten sie den Duftgewinden,
Lehren sie den Wipfel finden.
Dort will ich für meinen Kummer
Finden den ersehnten Schlummer,
Will vom Schicksal Kunde werben,
Daß es mir mag anvertrauen
In der Wälder tiefem Grauen,
Warum Polen mußte sterben.
Und der Antwort will ich lauschen

In der Vögel Melodeien,
In des Raubtiers wildem Schreien,
Und im Niagararauschen.